
Verbraucher können mündlich vereinbarte Bau-Nachträge widerrufen
Der Fall:
Ein Werkunternehmer und ein privater Bauherr stritten über eine mündlich und ohne Widerrufsbelehrung auf der Baustelle geschlossene Nachtragsvereinbarung. Es wurde keine Einigung erzielt. Der Werkunternehmer hat nach Leistungserbringung Werklohn gefordert; darauf hat der Bauherr die Nachtragsvereinbarung widerrufen.
Die Entscheidung:
Das OLG Karlsruhe hat – wie bereits das Ausgangsgericht – dem Bauherrn als Verbraucher hinsichtlich des ausgeübten Widerrufs Recht gegeben:
Das Berufungsgericht hat erklärt, dass Nachtragsvereinbarungen über zusätzliche Leistungen des Unternehmers rechtlich selbständige Werkverträge sind, weil sie – wie der Hauptvertrag – durch Angebot und Annahme zu Stande gekommen sind. Daher können sie unter den Voraussetzungen der §§ 312 b, 312 g BGB selbständig widerrufen werden. Der Umstand, dass Nachtragsvereinbarungen insbesondere dann mit dem Hauptvertrag „zusammenhängen“, wenn sie die nach dem Hauptvertrag geschuldeten Leistungen nur ergänzen oder lediglich solche zusätzlichen Leistungen zum Gegenstand haben, die zur Herstellung eines funktionstüchtigen Werks erforderlich sind, ändert nichts daran, dass die von den Parteien getroffene Abrede über den zusätzlichen Leistungsinhalt und dessen Vergütung – also die Nachtragsvereinbarung – ein selbständiger Werkvertrag ist.
Nach dem Wortlaut des § 312 b Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt es für das Widerrufsrecht nur darauf an, dass der Vertragsschluss außerhalb von Geschäftsräumen erfolgt ist. Auf eine konkrete Überraschung oder Überrumpelung kommt es nicht an. Es ist auch nicht notwendig, dass die Überrumpelungssituation im konkreten Fall kausal zum Vertragsschluss durch den Verbraucher geführt hat. Auch aus der Gesetzesbegründung der Verbraucherrichtlinie 2011/83/EU ergibt sich keine einschränkende Auslegung des Gesetzeswortlauts: Auch hieraus wird dagegen deutlich, dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht bereits deshalb eingeräumt wird, weil er außerhalb von Geschäftsräumen „möglicherweise“ psychisch unter Druck steht oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist. Nach diesem typisierten Maßstab kommt es auf eine konkrete Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers im Einzelfall nicht an.
Der Unternehmer verliert durch den Widerruf seinen Vergütungsanspruch, während der Verbraucher die Leistung behalten darf.
Anmerkung der Fachanwaltes:
Der Unternehmer kann den nachteiligen Folgen des Widerrufs begegnen, indem er den Verbraucher über das Widerrufsrecht belehrt und ein ausdrückliches Leistungsverlangen des Verbrauchers vor Ablauf der Widerrufsfrist sich von diesem schriftlich oder ihn in Gegenwart von Zeugen bestätigen lässt (vergleiche § 357 a Abs. 2 Nr. 1 BGB).
(Die Entscheidung des OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. April 2023, Az.: 8 U 17/23 kann durch Anklicken hier im Originaltext gelesen werden)