Baurecht, Architektenrecht - Rechtsanwalt Schnepper Melcher in Freiburg

HOAI-Mindestsätze sind bei Privatpersonen doch verbindlich!

Der Fall:

Ein Architekt wurde auf Grundlage einer (schriftlichen) Pauschalpreisvereinbarung bei Unterschrei­tung der Mindestsätze mit der umfassenden Planung und Überwachung eines Bauvorhabens be­traut. Nach Abwicklung der beauftragten Leistungsphasen, zuletzt Leistungsphase 8 gemäß § 33 HOAI 2013, hat der Architekt eine Pauschalrechnung vorgelegt. Nach einer Auseinandersetzung mit dem nicht zahlungsbereiten Auftraggeber hat der Architekt eine erheblich höhere Abrechnung nach Mindestsätzen übergeben, deren Berechtigung der Bauherr bestreitet. Der Architekt klagt auf Bezahlung seiner aktuellen Abrechnung. (Anm.: Fall nach häufiger Konstellation gebildet.)

Die Entscheidung:

Grundsätzlich hat die Justiz bis zum Jahr 2019 in vergleichbaren Fällen Architekten (bzw. sonsti­gen nach den Grundsätzen der HOAI abrechnungsberechtigten Personen) auf Grundlage von § 7 Abs. 1, Abs. 5 HOAI 2013 Recht gegeben; nach Abs. 1 dieser Vorschrift wurde die Vereinbarung von Mindest- bzw. Höchstsätzen vorausgesetzt; beim Fehlen einer solchen Honorarvereinbarung wurde nach Abs. 5 unwiderleglich vermutet, dass die jeweiligen Mindestsätze (gemäß § 7 Abs. 1 HOAI 2013) vereinbart sind.

Diese Vermutung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) durch ein Urteil im Jahr 2019 zerstört. In den Folgejahren haben Teile der bundesdeutschen Justiz von der Anwendung von § 7 Abs. 1 und 5 HOAI 2013 abgesehen; andere Teile haben die Vorschrift (zumindest unter Privaten) weiterhin an­gewendet.

Nach einer völligen Kehrtwende des EuGH in einem Urteil vom 18. Januar 2022 hat der Bundes­gerichtshof (BGH) nunmehr am 2. Juni 2022 entschieden, dass die Regelungen über die Geltung von Mindestsät­zen fortbestehen, also Architekten in vergleichbaren Fällen regelmäßig zur Abrechnung nach Min­destsätzen berechtigt sind.

Folglich können künftig alle Architekten, die für ihre Leistung die HOAI 2013 bzw. frühere Fassun­gen bis zum 30. Dezember 2020 sowie niedrigere Pauschalen vereinbart hatten, statt dieser die Mindestsätze geltend machen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Architekten bereits eine Schluss­rechnung unterhalb der Mindestsätze gestellt hatten, und der Auftraggeber diese bezahlt hat.

Anmerkung des Fachanwaltes:

Diese Rechtslage gilt nicht für künftige Vertragsverhältnisse: Vereinbaren ein Auftragge­ber und ein Architekt auf Grundlage der aktuellen Fassung der HOAI – ungewöhnlicherweise – eine Honorierung unter dem Mindestsatz, so ist eine solche Vereinbarung gültig.

(Das vollständige Urteil des BGH vom 2. Juni 2022 – Az.: VII ZR 174/19 kann hier nachgelesen werden)