Medizinrecht, Arztrecht, Patientenrecht - Schnepper Melcher Rechtsanwälte in Freiburg

Krankenkasse muss Arbeit eines ‚falschen Arztes‘ nicht vergüten!

Nachdem in den Instanzen unterschiedliche Urteile ergangen sind hat das Bundessozialgericht (BSG) am 26.04.2022 zum Az. B 1 KR 26/21 R entschieden: Ein Krankenhaus hat keinen Anspruch auf Vergütung für Krankenhausbehandlungen, an denen ein Nichtarzt als vermeintlicher Arzt mitgewirkt hat. Der Vergütungsausschluss gilt auch dann, wenn dem Nichtarzt zuvor eine echte Approbationsurkunde ausgestellt worden ist. Er erstreckt sich allerdings nicht auf eigenständige und abgrenzbare Behandlungsabschnitte, an denen der Nichtarzt nicht mitgewirkt hat. 

Was war geschehen? Ein Medizinstudent aus Düren hatte eine ansehnliche „Medizinerkarriere“ gestartet, obwohl die Zulassungsunterlagen zum Medizinstudium wie auch zur Promotion von ihm gefälscht wurden. Mit einer Anstellung im örtlichen Krankenhaus war dieser „Arzt“ mehr als sechs Jahre als vermeintlicher „Facharzt für Viszeralchirurgie“ in dem Krankenhaus tätig und operierte in hunderten Fällen erstaunlicherweise zur Zufriedenheit von Patienten und Krankenhausleitung.

Er wurde strafrechtlich wegen Körperverletzung in 336 Fällen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Jetzt hatte das BSG über die Klage einer Krankenkasse zu entscheiden, die von dem Krankenhaus Vergütung iHv rund € 30.000,00 ersetzt verlangte, die mit Behandlungen und Operationen in Zusammenhang standen, an denen der „falsche Arzt“ beteiligt war. Das SG Aachen hatte die Klage abgewiesen, das LSG NRW dieser stattgegeben.

Jetzt hat das BSG entschieden. In einer Pressemitteilung des Gerichtes heißt es:

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat nun entschieden, dass das Krankenhaus zur Erstattung der rechtsgrundlos gezahlten Vergütung verpflichtet ist. Zur Bestimmung des genauen Umfangs des Erstattungsanspruchs wurde das Verfahren an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Für Krankenhausbehandlungen, an denen ein Nichtarzt mitgewirkt hat, besteht wegen des in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Arztvorbehalts kein Vergütungsanspruch. Voraussetzung der Erbringung ärztlicher Leistungen ist nicht nur die Approbation, sondern auch die fachliche Qualifikation als Arzt. Die Approbation ist zwar notwendige Voraussetzung für die Ausübung des Arztberufs. Sie spricht im Sinne einer widerlegbaren Vermutung auch dafür, dass der Betreffende über die medizinische Mindestqualifikation verfügt; sie fingiert diese aber nicht. Fehlt es an dieser, verletzt dies den Arztvorbehalt und damit das bei jeder Behandlung zu beachtende Qualitätsgebot. Unerheblich ist hierbei, ob die von P erbrachten Leistungen für sich genommen medizinisch mangelfrei waren und ob am Behandlungsgeschehen noch andere Personen mitgewirkt haben. Denn bei der Krankenhausbehandlung handelt es sich um eine komplexe Gesamtleistung, die mit Fallpauschalen vergütet wird.

Eine Ausnahme von dem Vergütungsausschluss gilt lediglich für eigenständige und abgrenzbare Behandlungsabschnitte, an denen der Nichtarzt nicht mitgewirkt hat. Der Ausschluss des Vergütungsanspruchs dient allein der Einhaltung des Qualitätsgebots und soll keine darüber hinausgehende Sanktion des Leistungserbringers bewirken. Er erstreckt sich daher nicht auf Teile der Behandlung, die vom Rechtsverstoß nicht erfasst sein können. Das Landessozialgericht muss nun feststellen, ob in den Behandlungsfällen eigenständige und abgrenzbare Behandlungen durchgeführt wurden, an denen P nicht mitgewirkt hat.

Sobald das Urteil schriftlich abgesetzt ist werden wir es hier veröffentlichen.