Rechtsanwalt Kanzlei Schnepper Melcher in Freiburg

VGH Baden-Württemberg lehnt Eilantrag gegen Corona-Warn- und Alarmstufe ab

Mit Beschluss vom 15.11.2021 zum Az. 1 S 3295/21 hat der sog. „Präsidentensenat“ des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg (VGH) einen Eilantrag einer Dame aus dem Ortenaukreis gegen die Regelungen der Corona-Verordnung der Landesregierung für nicht-immunisierte Personen in der Warnstufe und der Alarmstufe abgelehnt. Die Testnachweispflichten und die für den Fall der Nichtvorlage von Tests geltenden Zugangsregeln sind nach Auffassung des Gerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ab Mittwoch, 17.11.2021, gilt im Südwesten die Alarmstufe.

Bereits mit Beschluss vom 12.10.2021 hat der gleiche Senat des Gerichts Regelungen für Ungeimpfte in der sog. „Basisstufe“ als rechtmäßig bezeichnet (Az. 1 S 3038/21).

In der Presse-Mitteilung des Gerichtes zum aktuellen Beschluss vom 15.11.2021 heißt es:

„Die Testnachweispflichten und die für den Fall der Nichtvorlage von Tests geltenden Zugangsregeln in der Warnstufe und der Alarmstufe seien aller Voraussicht nach rechtmäßig. Eine im Ortenaukreis wohnende Antragstellerin wandte sich gegen die Corona-Verordnung der Landesregierung (Antragsgegner) in der Fassung vom 20. Oktober 2021 und begehrte deren vorläufige Außervollzugsetzung, soweit darin nicht-immunisierten Personen der Zutritt zu den in Teil 2 der Verordnung genannten Einrichtungen oder Angeboten nur gestattet ist, sofern sie asymptomatisch sind und einen auf sie ausgestellten negativen Antigen- oder PCR-Testnachweis vorlegen. Sie trug vor, sie sei weder gegen COVID-19 geimpft noch von COVID-19 genesen. Nach den angefochtenen Vorschriften sei ihr der Zutritt zu Veranstaltungen wie Theater-, Opern- und Konzertaufführungen, Filmvorführungen, Stadt- und Volksfesten, Stadtführungen und Informations-, Betriebs-, Vereins – sowie Sportveranstaltungen nur gestattet, wenn sie einen negativen PCR- oder Antigen-Testnachweis vorlege. Die Vorschriften verstießen gegen ihr Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), ihr Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und stellten eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung dar.

Der 1. Senat des VGH lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 15. November 2021 ab. Zur Begründung führt er aus, der Antrag sei auch zulässig, soweit sich die Antragstellerin gegen Vorschriften der Alarmstufe wende. Die Alarmstufe sei zwar im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung noch nicht eingetreten. Derzeit sei aber davon auszugehen, dass sie in absehbarer Zeit erreicht werde.

Der Antrag sei unbegründet. Die Erwägungen des Antragsgegners zur Festlegung der Schwellenwerte für die Erreichung der Warnstufe und der Alarmstufe seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner habe aufgrund der Erfahrungswerte aus dem bisherigen Pandemiegeschehen und der tatsächlich vorhandenen Intensivbetten- sowie Personalkapazitäten sowie unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme dieser Kapazitäten auch durch andere als coronabezogene intensivmedizinisch behandlungsbedürftige Patienten davon ausgehen dürfen, dass bei einer Überschreitung der in der Corona-Verordnung definierten Schwellenwerte die Vorgaben der Basisstufe nicht mehr ausreichten, um das Ziel der Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgungskapazitäten im Land zu erreichen, und dass für den Zugang zu den geregelten Lebensbereichen von nicht-immunisierten Personen PCR- anstelle von Antigen-Testnachweisen erforderlich seien.

Die Testnachweispflichtvorschriften der Corona-Verordnung für die Warnstufe und die Alarmstufe seien aller Voraussicht nach ebenso rechtmäßig wie die in der Basisstufe (zur Basisstufe s. Pressemitteilung vom 13. Oktober 2021). Daran ändere der Umstand nichts, dass die Testnachweispflicht in diesen Stufen in den meisten Fällen nur durch Vorlage eines PCR-Test-Ergebnisses erfüllt werden könne und PCR-Tests kostenpflichtig sowie erheblich teurer als Antigen-Tests seien.

Die in der Corona-Verordnung vorgesehenen Testnachweispflichten und die für den Fall der Nichtvorlage von Tests geltenden Zutritts- und Teilnahmeverbote könnten dazu beitragen, das Risiko, dass Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus in diesen Bereichen stattfänden, zu reduzieren. Die mit diesen Regelungen verbundenen Beeinträchtigungen seien den Betroffenen zumutbar. Ihre grundrechtlich geschützten Belange wiesen ein spürbares Gewicht auf. Die betroffenen Personen müssten mit einem nennenswerten Zeitaufwand und jedenfalls typischerweise einer Vorplanung einen als unangenehm empfundenen Test absolvieren und das Ergebnis desselben in den genannten Einrichtungen als Zutrittsvoraussetzung präsentieren. Durch die Kostenpflichtigkeit jedenfalls der PCR-Tests erhalte der Grundrechtseingriff für die Normadressaten ohne Zweifel ein schwereres Gewicht.

Das Gewicht dieser Grundrechtseingriffe werde dadurch etwas aufgewogen, dass die PCR-Tests, anders als die günstigeren Antigen-Tests, nicht lediglich 24, sondern 48 Stunden gültig seien. Hinzu komme, dass einige in tatsächlicher und grundrechtlicher Hinsicht bedeutsame Lebensbereiche auch in der Warnstufe von einer Testpflicht grundsätzlich ausgenommen seien (z.B. Demonstrationen, Gottesdienste) oder zumindest „nur“ einer Antigen-Testnachweispflicht unterliegen (z.B. körpernahe Dienstleistungen) und dass der Verordnungsgeber im Bereich der Warnstufe Ausnahmen für Sozialkontakte im Freien normiert habe (vgl. z.B. für Veranstaltungen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 CoronaVO und für Kultur- und Freizeiteinrichtungen § 14 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 CoronaVO).

Die verbleibenden, erheblichen Beeinträchtigungen seien den Betroffenen angesichts der gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands zumutbar. In die Abwägung einzustellen seien hier auch die Interessen der anderen Grundrechtsträger daran, die von den angefochtenen Vorschriften erfassten Veranstaltungen, Einrichtungen und Angebote in einer möglichst sicheren Umgebung besuchen und in Anspruch nehmen zu können und sich dort – im eigenen Interesse, aber auch im Interesse von Angehörigen insbesondere aus vulnerablen Gruppen – nicht zu infizieren.

Auch ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot liege nicht vor. Die Ungleichbehandlung von immunisierten und nicht-immunisierten Personen sei durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Der Differenzierung liege zugrunde, dass Personen, die über einen vollständigen Impfschutz verfügten oder genesen seien, typischerweise gut gegen Neuinfektionen und gegen die Übertragung des Virus geschützt seien, während dies bei nicht-immunisierten Personen typischerweise nicht in gleichem Maße der Fall sei, und dass deshalb nur bei Nicht-Immunisierten Testnachweise zum Schutz vor Neuinfektionen und zum Schutz des Gesundheitssystems erforderlich und verhältnismäßig seien.“

Der Beschluss ist unanfechtbar, die Antragsteller sind auf das Hauptsacheverfahren verwiesen, in dem aber in den nächsten Monaten und wahrscheinlich sogar Jahren keine Entscheidung getroffen werden wird.