Vertragsrecht - Rechtsanwalt bei Schnepper Melcher in Freiburg

Keine Anwendung englischen Erbrechts bei Versagung eines Pflichtteilsanspruches eines Kindes

Die Anwendung des gemäß Art. 22 Abs. 1 der Europäischen Erbrechts-Verordnung (EuErbVO) gewählten englischen Erbrechts verstößt jedenfalls dann gegen den deutschen ordre public i.S.v. Art. 35 EuErbVO, wenn sie dazu führt, dass bei einem Sachverhalt mit hinreichend starkem Inlandsbezug kein bedarfsunabhängiger Pflichtteilsanspruch eines Kindes besteht.

Denn das englische Recht steht zu der nach deutschem Recht verfassungsrechtlich verbürgten Nachlassverteilung in einem so schwerwiegenden Widerspruch, dass dessen Anwendung im hiesigen Fall untragbar ist. Dies erklärt sich dadurch, dass das Pflichtteilsrecht als Institutionsgarantie dem Bestand des deutschen ordre public zuzurechnen ist, was dem Gerichtsstaat ermöglicht, im Ausnahmefall wesentliche Grundsätze und Werte des eigenen materiellen Rechts im Einzelfall zu wahren und trotz einer entgegenstehenden Regelung der lex causae durchzusetzen.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 29.06.2022 zum Az.: IV ZR 110/21 entschieden, das Sie hier nachlesen können.

Und dem o.g. „ordre public“ wird die Gesamtheit der inländischen rechtlichen und öffentlichen Ordnung verstanden. Danach ist die Anwendung ausländischen Rechts ausgeschlossen, wenn es gegen die wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts verstößt, was in Art. 6 des Einführungsgesetzes zum BGB geregelt ist (EGBGB).