Umfassende Aufklärung bei Frage Operation oder konservatives Vorgehen erforderlich!

Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) hat sich in einer jetzt in einer Fachzeitschrift veröffentlichten Entscheidung vom 02.02.2024 neuerlich ausführlich mit der Frage beschäftigt, in welchem Umfang bei einer Wirbelsäulen-Behandlung die Aufklärung des Patienten zu erfolgen hat.

Der Fall:

Einer 58-jährige Klägerin aus dem Raum Bochum wurde 2016 wegen langandauernde Rückenprobleme eine Versteifungsoperation im Bereich der Lendenwirbelkörper L 4/5 angeraten und diese auch durchgeführt. Die Operation musste sechs Monate später durch eine Ergänzung der Versteifungssegmente ergänzt werden. Über beide Operationen wurde die Klägerin mündlich und auf einem entsprechenden Aufklärungsbogen informiert.

Die Entscheidung des OLG Hamm als Berufungsgericht:

Nachdem das erstinstanzliche LG Bochum die Klage der Patientin abgewiesen hat wurden Operateur, Klinik u.a. dazu verurteilt, der Klägerin Schmerzensgeld und weiteren materiellen Schadenersatz zu zahlen, da die Aufklärung über die Versteifungsoperation nicht ordnungsgemäß erfolgt ist und daher mangels Einwilligung ein rechtswidrige Eingriff festzustellen war.

Einen Behandlungs- oder Operationsfehler haben die Gerichte dabei nicht erkannt.

Allerdings wurde festgestellt, dass die Patientin zwar über die vorgeschlagene Versteifungsoperation ordnungsgemäß aufgeklärt wurde, nicht aber über die Alternativen dazu. Denn wenn medizinisch sinnvolle und indizierte andere Therapien für einen Patienten zur Verfügung stehen muss darüber auch aufgeklärt werden, was sich – so das Gericht – auch aus § 630e Abs. 1 S. 3 BGB ergebe.

Dabei hat das OLG Hamm berücksichtigt, dass die durchgeführten Operationen nur „relativ indiziert“ gewesen seien, da konservative Behandlungsmöglichkeiten (wie Physiotherapie, Schmerzmedikationen, Injektionstherapien u.a.m.) zur Verfügung gestanden hätten, die noch nicht ausgeschöpft bzw. gleich wirksam gewesen wären.

Dabei sei bei der durchgeführten „Versteifungs-Operation“ auch zu berücksichtigen, dass bei dieser oftmals Folgeoperationen notwendig sind. Dies hätte mit einer vollständig aufgeklärten Patienten im Vorfeld besprochen werden müssen.

Zwar gäbe es in der Behandlungsdokumentation, so das Gericht, Anhaltspunkte dafür, dass ganz generell über die Alternative einer „konservativen Therapie“ gesprochen worden sei. Da sich dort aber einige „wortgleiche Einträge“ gefunden haben, ist das Gericht davon ausgegangen, dass diese Einträge offensichtlich „standardmäßig“ erfolgten, weshalb diese in ihrer Aussagekraft eingeschränkt seien.

Auf eine hypothetische Einwilligung haben sich nach Auffassung des Gerichts die Beklagten ebenfalls nicht berufen können, da sich das Gericht nach Anhörung der Klägerin nicht hat davon überzeugen können, dass auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung von Patientenseite ein Einverständnis mit der Versteifungs-Operation ausgesprochen worden wäre. Die Klägerin hätte vielmehr plausibel einen Entscheidungskonflikt für diesen Fall dargelegt.

Fazit:

Unser Fachanwalt für Medizinrecht, Heiko Melcher weist anlässlich dieses Urteils auf die besondere Bedeutung der umfassenden Aufklärung vor ärztlichen, insbesondere operativen Maßnahmen hin. Nur ein vollständig, ausführlich und wahrheitsgemäß informierter Patient ist in der Lage, einen freien Abwägungsprozess – wie hier – zwischen Operation und weiterer konservativer Behandlung vornehmen zu können. Auch wenn Aufklärungsdurchführung und -dokumentation manchem Arzt lästig erscheinen, so entscheiden diese doch oftmals über den Ausgang eines gerichtlichen Prozesses in Arzthaftungssachen.

(Das Urteil des OLG Hamm vom 02.02.2024 zum Az. 26 U 36/23 kann durch Anklicken hier vollständig gelesen werden).

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