Pro-Palästina-Demonstration darf Existenzrecht Israels nicht leugnen

22. November 2025

Immer wieder schwappt der Israel-Palästina-Konflikt auch auf deutsche Gericht über. Das VG Düsseldorf sowie im Anschluss das Beschwerdegericht OVG Nordrhein-Westfalen haben in Eilentscheidungen teilweise abweichende Feststellungen getroffen, so dass bei einer im November 2025 durchgeführten pro-paläs­ti­nen­sischen Demonstration in der Landes­hauptstadt Düsseldorf im Ergebnis nur eine Parolen nicht geäußert werden durfte, einem gegen das Verbot der Parolen durch das Polizei­prä­sidium Düsseldorf gerichteten Eilantrag des Veranstalters wurde damit teilweise stattgegeben.

Die Begründung des VG Düsseldorf:

Bei der Versammlung darf weder das Existenzrecht Israels geleugnet noch dürfen die Parolen „Yalla, Yalla Intifada“, „There is only one state - Palestine ´48“ sowie „From the river to the sea - Palestine will be free“ in jedweder Form geäußert werden. Die vom Polizei­prä­sidium Düsseldorf getroffene Prognose, wonach durch die Leugnung des Existenzrechts Israels bzw. die Äußerung der Parolen Straftaten wie Volksverhetzung, Billigung von Straftaten und Verwendung von Kennzeichen terroristischer Vereinigungen verwirklicht werden, sei tragfähig.

Unter Berück­sich­tigung sämtlicher Einzel­fa­l­lum­stände ist aus Sicht des Gerichts eine noch von der Meinungs­freiheit gedeckte Verwendung der Parolen nicht ersichtlich. Zwar ist es selbst­ver­ständlich nicht (stets) strafbar, Kritik am Staat Israel sowie seiner Politik und Staatsführung zu üben. Im vorliegenden Einzelfall spricht aber Überwiegendes dafür, dass der unbefangene Beobachter einer pro-paläs­ti­nen­sischen Versammlung während des - trotz der vorläufigen Waffenruhe - weiterhin andauernden Konflikts zwischen Israel und der Hamas die Leugnung des Existenzrechts Israels sowohl als Angriff gegen die in Israel lebenden Juden und zugleich auch als Aufruf zu Gewalt- und Willkür­hand­lungen an den in Deutschland lebenden Juden versteht. Dass der Anmelder der Versammlung vorgibt, sich für eine friedliche, völker­rechts­konforme „Einsta­a­ten­lösung“ auszusprechen, die zwangsläufig eine Auflösung des Staates Israel impliziert, ist unerheblich.

Politische Gesinnung der Veranstalter ist nicht relevant

Denn auf die politische Gesinnung oder Geisteshaltung des Anmelders oder der Versamm­lungs­teil­nehmer kommt es nicht an. Mit der Leugnung des Existenzrechts Israels geht von einer pro-paläs­ti­nen­sischen Versammlung voraussichtlich ein Anfangsverdacht für eine Billigung von Straftaten der Hamas sowie für einen Verstoß gegen das Kennzei­chen­verbot einher. Die Hamas negiert im Sinne eines politischen, identi­täts­s­tif­tenden Selbst­ver­ständ­nisses und ideologischen Leitziels das Existenzrecht Israels und steht für einen bewaffneten Kampf (Dschihad) gegen den Staat Israel bis zu dessen endgültiger Vernichtung. Die Hamas vertritt damit eine gewaltgeprägte, dschi­ha­dis­tische Vernich­tungs­absicht in Bezug auf Israel, und zwar auch noch nach dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 sowie der erst am 10. Oktober 2025 vereinbarten (vorläufigen) Waffenruhe. Dieser eliminatorische Antisemitismus stellt ein wesentliches ideologisches und damit identi­täts­s­tif­tendes Strukturmerkmal der Hamas dar. Zudem spricht Überwiegendes dafür, dass der unbefangene Beobachter einer pro-paläs­ti­nen­sischen Versammlung mit der Leugnung des Existenzrechts Israels vordringlich einen Bezug zum Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 herstellt.

Interessenabwägung erfolgt

Auch die vorzunehmende Inter­es­se­n­ab­wägung geht zu Gunsten des öffentlichen Interesses an dem ausgesprochenen Verbot der Parolen aus. Eine einmal getätigte Äußerung ist irreversibel und kann durch ein nachträgliches Einschreiten der Polizei oder nachträgliche Strafanzeigen nicht wieder rückgängig gemacht werden. Zudem handelt es sich bei der Leugnung des Existenzrechts Israels um israelbezogenen Antisemitismus, welcher im Jahr 2024 die häufigste Erschei­nungsform von Antisemitismus in Deutschland war. Einen maßgeblichen Einfluss darauf hatten die Reaktionen auf den 7. Oktober 2023 und den daraufhin entbrannten Gaza-Krieg, der eine Gelegenheit für antisemitische Vorfälle bot und weiterhin bietet, die sich vornehmlich im Rahmen von pro-paläs­ti­nen­sischen, antiis­ra­e­lischen Versammlungen äußerten und äußern. Gegen den Beschluss kann Beschwerde erhoben werden, über die das Oberver­wal­tungs­gericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.

OVG Münster entscheidet teilweise anders

Das Beschwerdegericht, das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster, hat das Urteil der Vorinstanz teilweise aufgehoben, nur die unsägliche Parole „From the river to the sea“ blieb weiterhin verboten.

Zur Begründung wurde ausgeführt: Das generelle Verbot eines Bestreitens des Existenzrechts des Staates Israel ist rechtswidrig. Das Existenzrecht des Staates Israel in Abrede zu stellen verwirklicht für sich genommen keinen Straftatbestand. Vielmehr unterfallen eine kritische Auseinandersetzung mit der Staatsgründung Israels und die Forderung nach einer friedlich zu vollziehenden Veränderung bestehender Verhältnisse grundsätzlich dem Schutz der Meinungsfreiheit. Besondere Umstände, die für eine mögliche Einordnung solcher Äußerungen etwa als Volksverhetzung hinzutreten müssten, hat die Polizei nicht aufgezeigt. Gleichfalls als rechtswidrig stellt sich in diesem Zusammenhang das verfügte Verbot der Verwendung der Parole „There is only one state – Palestine 48“ dar. Sie lässt insbesondere keinen konkreten Bezug zur Ideologie der in Deutschland verbotenen Terrororganisation HAMAS erkennen. Demgegenüber ist das Verbot der Parole „Yalla, yalla, Intifada“ voraussichtlich rechtmäßig. Diese Äußerung kann vor dem Hintergrund des anhaltenden Gaza-Konflikts nicht als bloße Aufforderung zu friedlichem Protest verstanden werden, sondern stellt sich aus Sicht eines unbefangenen Beobachters als Sympathiebekundung für die durch radikale Palästinenser verübten Gewalttaten gegen israelische Zivilisten und Mitglieder der IDF während der ersten und zweiten Intifada dar. Ob die Verwendung der Parole „From the river to the sea“ strafbar ist, weil es sich hierbei um ein Kennzeichen der verbotenen HAMAS handelt, kann im Eilverfahren nicht abschließend geklärt werden. Hier überwiegt allerdings das öffentliche Interesse an einem sofortigen Vollzug des Verbots dieser Parole. Auch ohne ihre fortgesetzte Verwendung kann das Anliegen der Versammlung ausreichend in der Öffentlichkeit kommuniziert werden. Demgegenüber ist eine einmal getätigte Äußerung irreversibel und kann durch ein nachträgliches Einschreiten der Polizei oder nachträgliche Strafanzeigen nicht wieder rückgängig gemacht werden.

(Beschluss des VG Düsseldorf, Az. 18 L 3700/25 vom 15.11.2025, des OVG Münster, 15 B 1300/25, vom 22.11.2025, beide bislang unveröffentlicht)

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