Nach einem aktuellen Bericht des "Göttinger Tageblatt" vom 20.08.2025 hat das dortige Landgericht bei Feststellung mehrerer grober Behandlungsfehler während der Geburt einem 2016 geborenen Mädchen, das schwerste Behinderungen davongetragen hat, ein Schmerzensgeld in Höhe von 1 Millionen Euro zugesprochen. Das Göttinger Landgericht hat mitgeteilt, dass dies die höchste Summe an Schmerzensgeld gewesen ist, die in der Geschichte des Gerichts zugesprochen wurde.
Die zuständige Arzthaftungskammer des LG Göttingen hat in dem Verfahren festgestellt, dass dem medizinischen Personal der Beklagten – einer Krankenhausgesellschaft – bei der Geburt der Klägerin 2016 mehrere grobe Behandlungsfehler unterlaufen sind. Unter anderem hätten weder die zuständige Hebamme noch der behandelnde Arzt einen erforderlichen Notkaiserschnitt eingeleitet, obwohl sie den schlechten Zustand des noch ungeborenen Mädchens hätten erkennen müssen.
Nach der Geburt sei das Neugeborene zudem nicht ausreichend überwacht und mit Sauerstoff versorgt worden. Darüber hinaus sei es versäumt worden, rechtzeitig den neonatologischen Notdienst der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) anzufordern, der auf die Behandlung solcher Fälle spezialisiert sei.
Die junge Klägerin leidet aufgrund dieser Behandlungsfehler an schwersten körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen. Sie ist weder in der Lage zu sprechen noch eigenständig zu essen und sei auf eine ununterbrochene Betreuung angewiesen. Mit einer Verbesserung ihres Zustandes sei nicht zu rechnen, wie das Gericht mitteilt.
Das Urteil ist noch nicht vollständig veröffentlicht und auch noch nicht rechtskräftig. Zur Begründung der Schadenshöhe können deshalb an dieser Stelle keine Angaben gemacht werden.
(Urteil des LG Göttingen vom 14.08.2025 zum Az. 12 O 85/21)
Zuletzt hatte das OLG Frankfurt mit einem Urteil vom 18.02.2025 ein Schmerzensgeld von € 720.000,00 zugesprochen, da einer Klinik ohne neonatologische Intensivstation über Wochen eine schwangere Hochrisikopatientin betreut hatte, die eineiige Zwillinge zur Welt bringen wollte.
Bei solcherart "Hochrisikoschwangerschaften", so die hessischen Gerichte, könne es jederzeit zu einer Frühgeburt bzw. sogar dem Fruchttod des Fetus kommen. Die Behandlung solcher Patientinnen dürfe deshalb nur in einer Klinik mit neonatologischer Intensivstation erfolge, alles andere sei grob behandlungsfehlerhaft, das Fehlen eines medizinischen Gesamtkonzeptes wurde der betroffenen Geburtsklinik vorgeworfen.
Die erstmals eine Schwangerschaft austragende 37-jährige Mutter verlor eines der Zwillinge schon im Mutterleib, der andere Zwilling wurde blind mit starker Hörschwäche und eingeschränkter Schluckfähigkeit sowie Blasenkontrolle geboren.
(Das gesamte Urteil des OLG Frankfurt zum Az. 8 U 8/21 kann durch Anklicken hier nachgelesen werden)
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