BGH-Urteil: Nur Amtshaftung für Impfschäden nach Corona-Schutzimpfung bis April 2023

17. Oktober 2025

Der III. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat sich in einer Entscheidung mit der Frage befasst, wer für etwaige Aufklärungs- oder Behand­lungs­fehler bei einer bis zum 7. April 2023 vorgenommenen Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 haftet, die in einer Vertrags­a­rzt­praxis vorgenommen wurde.

Der Fall:

Der Kläger nimmt eine Ärztin für Allge­mein­medizin aufgrund einer seines Erachtens fehlerhaften Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auf Schadensersatz in Anspruch. Nach zwei vorangegangenen Schutzimpfungen im Mai und Juli 2021 erhielt er am 15. Dezember 2021 in der Praxis der Beklagten eine sogenannte Booster-Impfung. Etwa drei Wochen später wurde bei ihm eine Herzerkrankung diagnostiziert.

Der Kläger hat geltend gemacht, bei seiner Erkrankung handele es sich um einen Impfschaden. Die dritte Impfung sei fehlerhaft verabreicht und er zuvor nicht hinreichend aufgeklärt worden. In Folge der Impfung seien seine kognitiven Fähigkeiten erheblich eingeschränkt gewesen. Er habe seine berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben können, zudem sei er aufgrund der organischen Beschwerden in der Psyche stark beeinträchtigt.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Schmer­zens­geldes in Höhe von mindestens 800.000 €, die Feststellung der Einstands­pflicht der Beklagten für materielle und nicht vorhersehbare immaterielle Schäden sowie die Erstattung vorge­richt­licher Rechts­an­walts­kosten.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision hat der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt.

Die Entscheidung des Bundes­ge­richtshof (BGH):

Der unter anderem für das Amtshaf­tungsrecht zuständige 3. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die Revision zurückgewiesen.

Bis zum 7. April 2023 handelten die in der jeweiligen Fassung der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung - CoronaImpfV) bestimmten Leistungs­er­bringer bei der Vornahme einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes. Dies gilt auch für die Beklagte und die Schutzimpfung des Klägers. Das Berufungs­gericht hat daher eine persönliche Haftung der Beklagten für etwaige Impfschäden des Klägers zu Recht verneint. Es kommt gemäß Art. 34 Satz 1 GG nur eine Amtshaftung des Staates in Betracht.

Die Tätigkeit einer Privatperson ist als hoheitlich zu beurteilen, wenn ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der Betätigung und der hoheitlichen Aufgabe besteht. Dabei muss die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nehmen, dass der Private gleichsam als bloßes "Werkzeug" oder "Erfül­lungs­gehilfe" des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss.

Die jeweiligen Leistungs­er­bringer erledigten mit der Durchführung von Schutzimpfungen hiernach eine hoheitliche Aufgabe. Sie erfüllten den eigens durch das Bundes­mi­nis­terium für Gesundheit als Verord­nungsgeber geschaffenen Anspruch gegen den Staat auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Dessen hoheitlicher Charakter stand bei der Impftätigkeit im Vordergrund. Die Schutzimpfungen waren ein zentrales Mittel zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Der darauf gerichtete Anspruch war ein wesentlicher Bestandteil der staatlichen "Corona-Impfkampagne", in die die Leistungs­er­bringer ausdrücklich eingebunden wurden. Die Erfüllung des staatlichen Impfanspruchs diente nicht nur dem individuellen Gesund­heits­schutz, sondern auch der Aufrecht­er­haltung zentraler staatlicher Funktionen und zentraler Bereiche der Daseinsfürsorge.

Darüber hinaus wies dieser Impfanspruch jedenfalls zeitweise einen engen Bezug zur Eingriffs­ver­waltung auf. Es bestand zwar keine Impfpflicht. Die Ablehnung einer Schutzimpfung konnte jedoch nachteilige Folgen haben, wie etwa zum Zeitpunkt der Impfung des Klägers am 15. Dezember 2021 in Form von bußgeld­be­wehrten Zugangs- und Kontakt­be­schrän­kungen, dem bußgeld­be­wehrten Erfordernis eines Testnachweises für das Betreten der Arbeitsstätte oder der Verhängung eines Betretungs- oder Tätig­keits­verbots für in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen tätige Personen.

Schließlich stand den privaten Leistungs­er­bringern nur ein stark eingeschränkter Entschei­dungs­spielraum zu, wie der Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 zu erfüllen war. Ihnen wurde durch den Verord­nungsgeber vorgegeben, auf welche Weise die Schutzimpfung und die begleitenden Leistungen vorzunehmen waren.

Demzufolge sind die Schutzimpfungen, die auf der Grundlage der Coronavirus-Impfverordnung erfolgten, als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend anzusehen und alle privaten Leistungs­er­bringer - wie die Beklagte - als Verwal­tungs­helfer einzuordnen. Die Verant­wort­lichkeit für etwaige Aufklärungs- und Behand­lungs­fehler dieser Verwal­tungs­helfer trifft deshalb grundsätzlich den Staat.

Das Urteil vom 9. Oktober 2025 zum Az. III ZR 180/24 ist noch nicht im Volltext veröffentlicht.

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