Der für die Arzthaftung zuständige 6. Senat des Bundegerichtshofes (BGH) hat entschieden: Wird einem Sachverständigengutachten wie hier für die klagende Patientenseite mit Verweis auf detaillierte, anderslautende Lehrbuch -Meinungen widersprochen, muss das Gericht die Gutachterin bzw. den Gutachter zu der Abweichung befragen. Erfolgt keine solche Anhörung und wird der Lehrbuch-Verweis übergangen, liegt darin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
In dem jetzt vom BGH entschiedenen Fall verstarb ein Säugling nach der Geburt. Die Mutter hatte nach einem Blasensprung das Krankenhaus aufgesucht, wo geburtseinleitende Maßnahmen und schließlich ein Kaiserschnitt durchgeführt wurden. Im sich anschließenden Haftungs-Klagverfahren wurde geltend gemacht, dass diese Maßnahmen zu spät erfolgt seien. Der gerichtlich bestellte medizinische Sachverständige stellte jedoch keinen ärztlichen Behandlungsfehler fest und konstatierte, das durchgeführte „abwartende Geburtsmanagement“ sei nicht zu beanstanden.
Die Klage der Eltern wurde folglich abgewiesen. Der Vorlage eines Auszugs aus dem Lehrbuch „Die Geburtshilfe“, wonach bei Anzeichen eines Amnioninfektionssyndroms nach vorzeitigem Blasensprung kein „abwartendes Geburtsmanagement“ durchgeführt werden darf, fand bei dem Berufungsgericht keine Beachtung. Das zuständige Oberlandesgericht Celle bewertete die medizinischen Fachfragen im Berufungsverfahren ohne ergänzende Sachverständigen-Anhörung und ließ die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) nicht zu.
Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hatte Erfolg. Zwar waren die von den Eltern zitierten Quellen erst nach dem Behandlungszeitraum erschienen. Der BGH betonte jetzt jedoch, dass die Literatur auf Studien basierte, die vor der Behandlung durchgeführt wurden, und somit relevant sein könnten.
Der komplette Beschluss des BGH kann durch Anklicken hier nachgelesen werden.
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