Ärzte müssen weiterhin alle Verordnungen persönlich unterschreiben – von Hand oder digital. Andernfalls droht ein Totalregress, wie das Bundessozialgericht (BSG) in einem Urteil Ende August 2025 bestätigt hat. Es geht um eine Regreßforderung von bis zu 1,24 Mio. Euro, der Kläger will nunmehr eine Verfassungsbeschwerde einlegen.
Der Kläger betreibt eine große kardiologische Praxis. Seine Verordnungen hatte er über Jahre nicht von Hand unterschrieben, sondern mit einem Faksimilestempel versehen. Nach verbreiteter juristischer Meinung käme es dem gleich, wenn ein Arzt seinen E-Rezept-Zugang weitergibt.
Im Streitfall setzte die Prüfstelle wegen eines „sonstigen Schadens“ erstmals 2019 einen Totalregress fest. Zu entscheiden war zunächst über 487.000 Euro für die Quartale I/2015 bis II/2018. Zusammen mit weiteren noch anhängigen Verfahren kommen auf den Arzt Rückforderungen in Höhe des genannten Millionenbetrages zu.
Gestützt auf die bisherige Rechtsprechung wies in erster Instanz das Sozialgericht Marburg die Klage des Arztes ab, der Kläger legte sodann Sprungrevision direkt zum BSG ein. Dort griff er in mehreren Punkten die seit Jahrzehnten geltende Rechtsprechung grundsätzlich an.
Nicht überraschend wies das BSG die klägerische Argumentation sehr deutlich zurück. Der Senat hielt an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, der Kläger hatte argumentiert, alle Verordnungen seien medizinisch indiziert gewesen. Dies blieb unwidersprochen. Anders dagegen die Schlussfolgerung, dass es deshalb auch gar keinen Schaden gegeben habe. Aus fehlerhaft ausgestellten Verordnungen sei sehr wohl ein Schaden entstanden, so das BSG. Denn die Kassen hätten für Verordnungen bezahlt, die ungültig waren.
Weiter betonte der Kläger, von der hohen Streitsumme habe er keinen Cent selbst vereinnahmt. Das Geld sei an die Apotheken gegangen, die die gestempelte Unterschrift akzeptiert hätten. Doch war für diese die vermeintliche Unterschrift nicht als gestempelt erkennbar?
Schließlich wiesen die BSG-Richter auch den Versuch des Klägers zurück, den Streit auf eine zivilrechtliche Ebene zu heben. Er lasse sich vielmehr allein mit den sozialrechtlichen Vorschriften klären. Bezüge zum bürgerlichen Recht brauche es dafür nicht.
Wenig sagten die Richter des BSG-Vertragsarztsenats zu der aufgeworfenen Frage der Verhältnismäßigkeit. Eine zu erwartende Summe von 1,24 Millionen Euro für die Verwendung eines Unterschriftenstempels, obwohl es hinsichtlich eines Missbrauchs keinerlei Vorwürfe, geschweige denn Nachweise gab, das erschien möglicherweise auch der Richterbank recht happig und jedenfalls nicht so auf die Schnelle zu beantworten.
Einer der Gründe für die hohe Summe ist, dass der Regress wegen eines „sonstigen Schadens“ vier Jahre zurückreicht, sonst üblich bei Regressen sind zwei Jahre. So bleibt es spannend, ob sich die Kasseler Richter hierzu und generell zur Frage der Verhältnismäßigkeit in ihren – noch ausstehenden – schriftlichen Urteilsgründen näher äußern werden.
(Das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 27.08.2025 ist noch nicht vollständig abgesetzt und trägt das Az.: B 6 KA 9/24 R. Der Terminsbericht u.a. aber kann durch Anklicken hier nachgelesen werden).
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