Rechtsanwalt Kanzlei Schnepper Melcher in Freiburg

Über die Entziehung eines Pflichtteils im Erbrecht

Die Entziehung eines Erbteils ist in § 2333 Abs. 1 BGB geregelt. Danach können Eltern ihrem Kind den Pflichtteil ausnahmsweise entziehen, wenn sich dieses einer schweren Straftat gegenüber dem Erblasser oder einer diesem nahestehenden Person schuldig gemacht hat, wenn er den vorgenannten Personen nach dem Leben trachtet oder wenn er die ihm gegenüber dem Erblasser gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt hat.

Die Alternative gem. § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB  ermöglicht die Entziehung des Pflichtteils, wenn das Kind wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Kindes am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist.

In seinem Testament muss der Erblasser die Umstände bzw. Vorfälle, mit denen er seine Maßnahme begründet, möglichst konkret darlegen, § 2336 Abs. 2 BGB. Es ist sogar zulässig die Pflichtteilsentziehung für den Fall anzuordnen, dass sich der Verdacht des Vorliegens eines bestimmten und benannten Entziehungsgrundes in der Zukunft bestätigt. Die Pflichtteilseinziehung wird durch Verzeihung i. S. d. § 2337 BGB hinfällig.

Den Fall einer Pflichtteilsentziehung hatte das Landgericht Frankenthal aktuell zu entscheiden.

Dem rechtmäßigen Erben seinen Pflichtteil zu entziehen ist nur in drastischen Ausnahmefällen möglich, wenn ihm eines der in § 2333 BGB aufgezählten schweren Fehlverhalten vorzuwerfen ist. In einem Fall vor dem LG Frankenthal, in dem das Gericht am 11.03.2021 zum Az. 8 O 308/20 ein Urteil gesprochen hat, behauptete die Erblasserin im notariellen Erbvertrag, dass ihr Sohn sie geschlagen habe. Das überzeugte das Gericht nicht hinlänglich für die Komplettenterbung.

Das LG Frankenthal hatte den Fall einer Familie zu entscheiden, in dem das Verhältnis der Eltern zu ihrem einzigen Abkömmling so stark zerrüttet war, dass sie ihn gern aus der Erbfolge gestrichen hätten. Der Sohn wehrte sich nach dem Tod seiner zuletzt verstorbenen Mutter dagegen, dass sein Pflichtteil i.H.v. knapp 27.000 EUR an eine soziale Einrichtung ging.

Wenige Monate vor ihrem Tod hatte die Erblasserin per notariellem Testament die Sozialeinrichtung als Pflichtteilsempfänger bestimmt. Schon 23 Jahre zuvor aber waren sich die Eltern einig, dass ihr Sohn jedenfalls keinen Pfennig von ihnen erben sollte. Seinerzeit hatten sie zu diesem Zwecke einen notariellen Erbvertrag mit dem Pflichtteilsentzug aufgesetzt.

Laut der Urkunde beriefen sich die Eltern auf einen Vorfall aus dem Vorjahr. Sie behaupten, der Sohn hätte seiner Mutter mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, was nach ärztlichem Attest in einer Schädelprellung resultierte. Die Eheleute bezogen sich auf den Arztbericht sowie auf die von der Mutter gestellte Strafanzeige. 

Der Sohn der Verstorbenen stellte die Sache vor Gericht anders dar. Er habe lediglich die von der Mutter ausgehenden Schläge abgewehrt und sich damit in einer Notwehrsituation befunden. Dabei hätten sich Beide verletzt. Auch er hatte Strafanzeige gestellt. Die Ermittlungsverfahren wurden eingestellt. 

Das LG Frankenthal hatte so seine Zweifel an der ganzen Pflichtteilsentziehung, insbesondere den Motiven. Das in der Urkunde Genannte war dem Gericht zu wenig, zu unbewiesen und als alleiniger Grund nicht überzeugend, insbesondere als herauskam, dass der handgreifliche Streit wohl nur die Spitze des Eisbergs war.

Es war insbesondere der von dem Sohn eingeschlagene Lebensweg, der den Eltern missfiel. Er führte nicht das Leben, das die Eltern sich für ihn und sich wünschten. Sie hatten einen hohen Kredit für das Architekturstudium des Sohnes aufgenommen, der dieses aber heimlich abbrach und das Geld „verprasste“, während das Darlehen nicht bedient wurde. Die Zwangsversteigerung des elterlichen Anwesens war die Folge.

Dies war sehr unerfreulich, aber wäre kein gesetzlich anerkannter Grund für eine Pflichtteilsentziehung gewesen. Die Erbrechtsgarantie und der Schutz der Familie mit der Pflicht zur gegenseitigen Sorge sind zwei Grundsatzpfeiler des Pflichtteilsrechts, die im Grundgesetz verankert sind (Art. 14 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG). Es ist daher nur in drastischen Ausnahmefällen entziehbar, wie die Aufzählung in § 2333 BGB deutlich macht.

Eine vorsätzliche Körperverletzung wäre theoretisch Grund genug, um einen Pflichtteil zu entziehen, jedenfalls dann, wenn das Verhalten des Abkömmlings zusätzlich eine schwere Pietätsverletzung, also eine „schwere Verletzung der dem Erblasser geschuldeten familiären Achtung“ zum Ausdruck bringt.

Dafür war dem Gericht der Urkundeninhalt zu dünn, vor allem weil formell eine Darstellung des Kernsachverhalts mit einer gewissen Konkretisierung der Gründe vorausgesetzt wird (§ 2336 Abs. 1, 2 BGB). Im Ergebnis war der Vorfall zu ungenau beschrieben und zudem vom Sohn bestritten. Damit blieb die beklagte Sozialeinrichtung den ihr obliegenden Beweis schuldig (§ 2336 Abs. 3 BGB) und musste auf den Geldsegen verzichten.